Die goldenen Zwiebeltürme von Charlottenburg

Man muss nicht im Geschichtsunterricht gut aufgepasst haben, um Berührungspunkte zwischen Russen und Deutschen in Berlin zu erkennen. Der Spitzname „Charlottengrad“ für den Berliner Bezirk, sowie die zahlreichen russischen Geschäfte und Buchläden vor Ort bestätigen, dass ein nicht unbeträchtlicher Bevölkerungsanteil in Charlottenburg russischen Ursprungs war und ist. Daher musste es meinem Empfinden nach hier auch eine russisch-orthodoxe Kirche geben. Diese war mit der Russisch-Orthodoxen Kirche im Ausland schnell gefunden. Ihre goldenen Zwiebeltürme nahe der Caprivibrücke sind nicht zu übersehen.

Doch während die Geschichte russisch-orthodoxer Kirchen in Deutschland auf 300 Jahre Tradition zurückblicken kann, ist der Kirchenbau in der Wintersteinstraße recht jung.

Der Schlüssel zur Russisch-Orthodoxe Kirche „Schutz der Gottesmutter“ (Pokrov) in der Wintersteinstraße 24 wurde erst am 7. März 2008 an S. E. Erzbischof Mark von Berlin und Deutschland und Gemeindepriester André Sikojev übergeben. Dabei handelt es sich nach eigenen Angaben um eine der ältesten christlich-orthodoxen Gemeinden Berlins.

Am 13. September 2009 wurden die letzten Bauarbeiten abgeschlossen. Final wurden die vergoldeten Zwiebelturmspitzen aufgesetzt.

Die offizielle Kuppelweihe der Maria-Schutz-Kirche fand dann am 13. Oktober 2009 statt. Im Zuge der Zeremonie wurden die drei Zwiebeltürme mit jeweils einem geweihten Kreuz versehen.

Heute finden bis zu 400 Gläubige in der im traditionellen Stil erbauten Kirche Platz.

russisch-orthodoxe Kirchen in Berlin

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war die einzige russisch-orthodoxe Kirche in Berlin die Berliner Botschaftskirche Heiliger Vladimir in der Straße Unter den Linden.

Der bisher einzige russische Friedhof in der Stadt entstand 1893-1894 und wurde zum Friedhof für zahlreiche Exilrussen in Deutschland. Daran angeschlossen ist noch heute die Heilige Apostel Konstantin und Helena Kirche im russisch-byzantinischen Stil mit blauem Dach.

Nach den Russischen Revolutionen im Jahre 1917 und den folgenden „politischen Säuberungen“ verließen mehr als 600.000 Russen ihre Heimat. Die meisten suchten Zuflucht in Berlin, da sie die erste Stadt Westeuropas auf der Flucht darstellte. Einige der Flüchtlinge nutzten Berlin auch als Sprungbrett nach Paris und Amerika. Etwa 180.000 Russen verblieben in Berlin und lebten vor allem in Charlottenburg, Wilmersdorf und Schöneberg. In dieser Zeit prägte sich der Begriff Charlottengrad für den beliebten Wohnbezirk der Exilrussen.

Zwischen 1936 und 1938 wurde am Hohenzollerndamm 166 in Wilmersdorf anstelle der abgerissenen alten russisch-orthodoxen Kirche die neue Christi Auferstehungskathedrale als dreischiffige Basilika im russisch-byzantinischen Stil gebaut.

Zudem gibt es heute noch die Hl. Sergius-von-Radonezh-Kirche in der Wildensteiner Straße 10 in Karlshorst.

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Aushang 2 r-o-Kirche Wintersteinstr

 

Aushang 1: Die Russische Orthodoxe Kirche in Deutschland: Eine Kirche mit langer Tradition

Kirchen für Diplomaten, Adlige, Kurgäste und Emigranten: Russische Gemeinden in Deutschland

„In Deutschland kann die Russische Kirche bereits auf eine fast 300-jährige Tradition zurückblicken.

Im Jahr 1996 begeht die Diözese den 70. Jahrestag ihrer Gründung. Seit fast 60 Jahren ist die Diözese als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt.

Im 18. Jh. wurden russische Kirchen nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen oder als Folge der Heiraten russischer Großfürstinnen in deutsche Adelshäuser gegründet. Von diesen frühen Kirchen besteht heute keine mehr.

Beispiele für diese frühen Kirchengründungen sind die russischen Kirchen in Berlin und Kiel. Seit dem Jahre 1758 gab es eine orthodoxe Kirche in der Berliner russischen Gesandtschaft. Sie war dem Hl. Wladimir, dem Erleuchter Rußlands, geweiht und bestand mehr als 200 Jahre. 1922 wurde sie von den Sowjetmachthabern geschlossen.

Eine weitere russische Kirche wurde im Jahre 1925 im Kieler Schloß eingeweiht, nachdem Anna Petrowna, eine Tochter des Zaren Peter des Großen, Herzog Karl-.Friedrich von Holstein-Gottorp geheiratet hatte. Der Sohn aus dieser Ehe bestieg als Zar Peter III. im Jahre 1762 den Thron. Er war miot Prinzessin Sophie Auguste von Anhalt-Zerbst verheiratet, die als Katharina II. die Große die Geschichte Rußlands von 1762 bis 1796 lenkte. Seitdem stammen alle Zarinnen – mit Ausnah,e der Zarin Maria Feodorowna, der Gemahlin Zar Alexander III., die eine dänische Prinzessin war, – aus deutschen Adelshäusern- Zar Paul I., Alexander II. und Nikolaus II. waren mit Prinzessinen aus dem Hause Hessen-Darmstadt verheiratet, Alexander I. mit Prinzessin Luise Auguste von Baden-Baden, Nikolaus I. mit Prinzessin Charlotte von Preußen-Hohenzollern.

Weitere Mitglieder der Zarenfamilie heirateten in deutsche Fürstenhöfe: die Häuser Württemberg-Stuttgart, Braunschweig-Wolfenbüttel, Braunschweig-Lüneburg, Sachsen-Coburg, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Sachsen-Weimar, Hessen-Nassau, Sachsen-Altenburg, Oldenburg und weitere Adelshäuser waren eng mit der Romanow-Dynastie verwandt. Die heute noch bestehenden russischen Kirchen auf dem Rotenberg (bei Stuttgart), in Stuttgart, Potsdam, Wiesbaden, Weimar und Darmstadt gehen auf diese engen dynastischen Beziehungen zurück, da die russischen Großfürstinnen auch nach ihrer Heirat am orthodoxen Glauben festhielten.

Seit der Mitte des 19. Jh. wurden dann Dutzende russischer Kirchen in den Kur- und Badeorten Westeuropas gebaut. In den Sommermonaten weilten Tausende con reichen Russen einige Wochen in diesen Bädern. Sie kamen nicht nur mit ihren Familien, sondern brachten auch ihre Bediensteten mit, Reisegesellschaften, zu denen häufig 20 bis 30 Personen gehörten.Die Initiative zum Bau dieser Kur-Kirchen ging häufig von den Stadtverwaltungen oder Geschäftsleuten aus, die die zahlungskräftigen russischen Gäste gern in ihrer Stadt sahen.

In Deutschland gibt es heute noch 14 russische Kirchen, die vor dem 1. Weltkrieg erbaut wurden. Seit 1920 wurden dann von russischen Emigranten, die in Deutschland Zuflucht gefunden hatten, fast 200 russische Kirchen errichtet, die zum Teil bis heute […]“

Aushang 2: Die Gemeinden und das Gemeindeleben der Russischen Orthodoxen Kirche

„In der Zwischenkriegszeit gab es etwa 20 russisch-orthodoxe Gemeinden in Deutschland. Nach dem II. Weltkrieg stieg die Zahl der Gemeinden auf über 200 an. Die Gläubigen wurden nach 1945 von 15 Bischöfen und über 300 Priestern betreut. Die meisten russischen Gemeinden und Kirchen befanden sich in diesen Jahren in Bayern. Allein in München gab es 14 russische Gemeinden und ein Mönchskloster zu Ehren des Hl Hiob von Polaev. Von 1922 bis 1945 war Berlin Zentrum der russischen Emigration und zugleich Sitz des Leiters der Diözese, seitdem verlagerte sich als Folge der politischen Gegebenheiten der Schwerpunkt der kirchlichen Emigration nach München. Hier residierte von 1943-1949 auch das Oberhaupt der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland – Metropolit Anastasij – und der Bischofssynod. Diese Kirche, die manchmal verkürzt als ‚Russische Auslandskirche‘ bezeichnet wird, entstand nach der kommunistischen Oktoberrevolution aus der pastoralen Notwendigkeit, das kirchliche Leben der […]

Als freier Teil der Russischen Kirche sah sie ihre Verantwortung darin, über die Glaubensverfolgung in Rußland berichten und auf das Martyrium der Kirche unter der Sowjetherrschaft hinzuweisen. Darüber hinaus unterstützte man die Gläubigen nach Möglichkeit, z. B. durch religiöses Schrifttum. Hierzu wurde eigens die Organisation „Orthodoxes Hilfswerk“ gegründet.

Zur ‚Russischen Auslandskirche‘ gehörten in der Zwischenkriegszeit weltweit rund 1000 Gemeinden. Heute sind noch ca. 350 Gemeinden, mehr als 20 monastische Gemeindeschulen, ein Priesterseminar und zahlreiche soziale, karitative, schulische und sonstige kirchliche Einrichtungen, vor allem ein umfassendes Druckerei- und Verlagswesen.

Eine besondere Tragödie spielte sich in den Monaten nach Kriegsende 1945 in Deutschland und Österreich ab, wo mehrere Millionen Menschen aus der UdSSR lebten – Ostarbeiter, Kriegsgefangene und Flüchtlinge. Gegen ihren Willen wurden Hunderttausende von den Alliierten an die Sowjetunion ausgeliefert, wo sie als „Verräter“ in den stalinistischen Arbeitslagern verschwanden und ein schreckliches Ende fanden.

Die große Bedeutung der Kirchen in den westlichen Flüchtlingslagern geht aus einer zeitgenössischen Schilderung aus dem Jahre 1946 hervor, in der es heißt: „Zahlreiche orthodoxe Kirchen, die von den Flüchtlingen eingerichtet wurden, stellen heute Zentren geistlichen Lebens von hohem Niveau dar. Nach den Schrecknissen des Krieges, dem Verlust von Verwandten und Freunden … und nach langen Monaten der Unruhe und Unsicherheit hinsichtlich der Zukunft, sind die orthodoxen Gläubigen um ihre Kirchen vereint. Auch in den Kirchen, die schon früher auf dem Territorium Deutschlands lagen, ist das kirchliche Leben wieder aufgeblüht.“

Doch die Geistlichen mußten sich nicht nur um die Seelsorge kümmern. Schulunterricht, Arbeits- und Wohnbeschaffung, Familienzusammenführung, Paßangelegenheiten usw. gehörten ebenfalls zur Gemeindearbeit. In München hatte […]“

Ein Kommentar

  1. Sehr interessant, war mir überhaupt nicht bekannt. Bin zurfällig beim Googeln darauf gestossen und froh, dass ich
    das jetzt überhaupt erst mal erfahren habe.

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