Gegen das Vergessen: Bronzeskulptur „Treblinka“

Von der vielbefahrenen Kantstraße kaum zu sehen, steht am Amtsgerichtsplatz, vor dem Hauptportal des Amtsgerichts Charlottenburg, die Bronzeskulptur »Treblinka«. Hierbei handelt es sich um ein Mahnmal für die Opfer des Vernichtungslagers Treblinka nordöstlich von Warschau. 

Vernichtungslager Treblinka

Im Rahmen der Aktion Reinhardt wurde das Vernichtungslager Treblinka nahe dem gleichnamigen Dorf im besetzten Polen errichtet. Mit seiner Errichtung Mitte 1942 gilt es als das zuletzt errichtete Lager und wurde zugleich das größte. Innerhalb des ersten Jahres wurden laut Höfle-Telegramm über 700.000 Menschen in den drei Gaskammern des Lagers ermordet. Die Gesamtzahl wird auf über eine Million Menschen aus ganz Europa geschätzt. Die notwendigen Baumaterialien zur Errichtung des Vernichtungslagers wurden weitestgehend aus dem nahe gelegenen Ghetto Warschau herbei geschafft, aus welchem auch die ersten Opfer deportiert wurden.

Skulptur „Treblinka“

Die Skulptur wurde 1966 von dem Bildhauer Wadim Sidur geschaffen und 1979 am Amtsgerichtsplatz aufgestellt.

Abstrahierte Formen erinnern an übereinander geschichtete menschliche Körper. Für den Betrachter ist dabei kaum zu erkennen, dass die zuunterst liegende Figur eine noch lebende Frau darstellen soll, die sich gegen die sie fast erdrückenden Toten über ihr aufbäumt.

Im Kunstwerk integrierte der Künstler zudem die Kreuzform bei den Körperüberlagerung. Das mag zuerst verwirrend sein, ist das Kreuz doch ein christliches Symbol für Tod und Trost. Doch waren die Opfer des Lagers zwar weitestgehend Juden, jedoch nicht alle. Die Gesamtform soll zudem Assoziationen mit einem Totenschädel hervorrufen oder mit einem Scheiterhaufen.

Der Künstler

Wadim Sidur war selbst Teilnehmer am Krieg – auf russischer Seite. Selbst während des Krieges so schwer verletzt, dass er seinem Traum Arzt zu werden aus gesundheitlichen Gründen nicht verwirklichen konnte, wollte er zukünftig schaffen statt zu zerstören und zu vernichten. Das war der tragende Gedanke, der ihn nach dem Krieg zum Künstler werden ließ.

Die Ungeheuerlichkeit des Krieges verglich er mit einem Fleischwolf. Einen Fleischwolf, in den er selbst hineingeraten war und dessen Handwerk er selbst als MG-Schütze mitbetrieben hatte.

Kritisch die politische Entwicklung Russlands der Nachkriegsjahre betrachtend, wurde ihm klar, dass die Menschen immer wieder neue Mythen erfinden würden, um alle Arten von Zerstörungen, ja auch den gewaltsamen Tod von Menschen zu rechtfertigen.

In Russland durfte er seine Skulpturen, durch welche er das absurde Massensterben zu verarbeiten suchte, nicht in der Öffentlichkeit zeigen. Daher schmuggelte er handgroße Modelle nach Deutschland, wo sie auf das vorgesehene Maß vergrößert wurden.

Gedenken am Amtsgerichtsplatz

1985 beschloss die Bezirksverordnetenversammlung, eine zusätzliche Inschrift anbringen zu lassen, um die Skulptur gegenüber Passanten besser zu erklären. Die anlässlich des Todes Wadim Sidurs 1986 ins Pflaster eingelassene Tafel warnte:

„Wer sich der Unmenschlichkeit nicht erinnern will, der wird wieder anfällig für neue Unrechtstaten.“

Diese Tafel ist nicht mehr vorhanden, stattdessen wurde sie durch eine Bronzeplatte mit dem Schriftzug “Treblinka” ersetzt, welche, oben und unten von dem Namen des Bildhauers, sowohl in kyrillischer, wie in lateinischer Schrift eingerahmt ist.

Treblinka Tafel

Treblinka Tafel

Eine zweite Bronzeplatte auf der gegenüber liegenden Seite informiert nun die Menschen über den schicksalhaften Ort, der sich hinter dem Namen „Treblinka“ verbirgt und enthält auch wieder die warnenden Worte Sidurs.

Bronzetafel Treblinka

Bronzetafel Treblinka

Webschmankerl & Bücherkiste

Treblinka bei Gedenktafeln in Berlin

Dietrich Möller (2001): Vadim Sidur. Ein russischer Bildhauer in: Deutschlandfunk vom 12.06.2001.

Ulrike Puvogel, Martin Stankowski (2000): Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus. Eine Dokumentation. Band 2, S. 40-41.

Richard Glazar (1995): Flucht aus Treblinka. in: Erinnern als Vermächtnis. Berichte über Verfolgung und Alltag im Nationalsozialismus, hg. v. Wolfgang Benz, Band 1.

Samuel Willenberg (2008): Treblinka. Bericht einer Revolte.

Martin Sabrow, Ralph Jessen, Klaus Große Kracht (2003): Zeitgeschichte als Stadtgeschichte. Große Kontroversen seit 1945, S. 223-224.

Gisela Riff, Karl Eimermacher (1992): Vadim Sidur. Kunst im Zeitalter des Schreckens. Ausstellungskatalog.

Peter Witte (2002): „…zusammen 1274166“ in: die Zeit 03/2002

Urteil des treblinka-Prozess vom 3.09.1965 im Archiv des Holocaust History Project.

 

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